Lieber
Leif Tewes, vielen Dank, dass du dir hier die Zeit nimmst, um unsere
Fragen zu beantworten. Seit „Tag Null“ gab es davon natürlich
einige.
(c) Leif Tewes |
Über dich
kann man lesen, dass du neben einem Brotjob Thriller schreibst, als Musiker auf der Bühne stehst und auch als DJ tätig bist. Wie passt alles zeitlich zusammen?
Zum einen mache ich das nicht alles gleichzeitig, zum anderen in der Freizeit. Wenn man so schaut, womit man seine Zeit verbringt, stellt man durchaus fest, dass da viel Zeit für produktive und kreative Aktivitäten ist.
Zum einen mache ich das nicht alles gleichzeitig, zum anderen in der Freizeit. Wenn man so schaut, womit man seine Zeit verbringt, stellt man durchaus fest, dass da viel Zeit für produktive und kreative Aktivitäten ist.
Deine
Bücher haben ernste politische Themen als Grundthema. Was war zuerst
da: Die Idee, Thriller zu schreiben oder die politischen Themen zu
behandeln?
Zuerst das Thema. Immer das Thema. Wer
eigene Welt erschafft, kann nicht so zufrieden mit der realen Welt
sein. Schreiben heißt Auflehnung, Protest, Unzufriedenheit mit der
erlebten Realität. In diesen erfundenen Welten kann ich Figuren
schaffen, die besser agieren als in Realität, aber auch Schlechtes
überspitzen, überzeichnen. Und bei mir ist eben "Thriller",
(oder "Noir", wie es auf dem Buchcover steht), die Hülle,
der Rahmen, das Format. Aber das Thema ist der Inhalt.
Die
rechtspopulistischen Parteien bekommen immer mehr Zulauf. War
„Alternativen“ mit den Themen Rechte Parteien und Flüchtlingen
ein persönliches Bedürfnis, die eigene Meinung mitzuteilen?
Ich denke, kein Schriftsteller kann
über etwas schreiben, was ihn nicht persönlich berührt. Und diese
Berührung ist in der Regel eine unangenehme. Der Schriftsteller
braucht Energie zum Schreiben, und Wut und Ärger über bestimmte
Verhältnisse ist eine zuverlässigere und dauerhaftere Energiequelle
als Freude und Tanz. Wobei ich schon darauf aufpasse, nicht meine
Meinung zu sagen, sondern Figuren zu zeichnen, die Meinungen haben.
Marion
wird in dem Roman als „Gutmensch“ tituliert. Als Gegenpart steht
die Partei der besseren Deutschen. Wo siehst Du Dich selbst?
Ich
weiß zwar genau, wo ich stehe, aber die Idee von dem Buch ist, den
Leser zu fragen, wo er steht. Dabei mache ich es ihm nicht leicht,
selbst Marion bekommt ihr Fett weg. Die Welt ist nicht schwarz-weiß,
sondern grau (ja, ich weiß, das ist aus "Blutzucker"), und
ich glaube, man muss sich selbst oft genug fragen, wieviel grau man
verträgt.
Wie
viel Recherche machst du vor Ort? Wenn man in Frankfurt wohnt, ist
der Hauptbahnhof nicht so weit weg. Aber für andere Städte muss man
sich schon Zeit nehmen.
Klar. Recherche ist eine der Arbeiten
an einem Buch, die auch Spaß machen, oder eine schöne Ablenkung
ist, wenn der Geist grad mal nichts Relevantes von sich geben will.
Und wenn man keinen Regionalkrimi schreibt sondern verschiedene
Schauplätze verwendet, wollen diese auch erforscht werden. Wobei es
hilft, schon ein bisschen rumgekommen zu sein und Erinnerungen
wiederverwenden zu können.
(c) Leif Tewes |
Das waren ungefähr 1.5 Jahre. Ich bin
aber schneller geworden, "Blutzucker" hat rund 2 Jahre
gedauert.
Wenn
man Parteimitglied der AfD ist, aber von der Gesinnung nicht
dahintersteht, muss es doch eine enorme Anstrengung sein, dieses
vorzutäuschen. Welches waren die schwersten Aufgaben gegenüber den
Parteimitgliedern und auf der anderen Seite der Familie bzw. engen
Freunden?
Auf diesen Parteiversammlungen habe
ich meist geschwiegen, denn mir war klar: Mische ich mich wirklich
engagiert in die Diskussion, kann es nicht lange dauern, bis ich
"auffliege". Mein Interesse galt aber sowieso nicht der
politischen Diskussion oder Aufklärung, sondern rein der passiven
Aufnahme von Stimmungen. Einfach mal "Mäuschen" spielen,
wie man so sagt. Mein persönliches soziales Umfeld hat es mit
Interesse aufgenommen, wenngleich nicht immer begeistert sondern auch
mal sorgenvoll.
Hast
du bei den Themen keine Angst vor Reaktionen, bzw. gab es schon
Drohungen gegen deine Person?
Angst wäre übertrieben. Vielleicht
leichte Befürchtungen, eingetreten ist aber noch nichts dergleichen.
Aber zum einen denke ich, dass die echt humorlosen Parteimitglieder
oder –Wähler sich nicht die Mühe machen werden, mir in den
Vorgarten zu pinkeln, und zum anderen haben die im Moment anderes zu
tun: Den ganzen Tag bei Facebook Quatsch zu posten oder Plakate zu
kleben, das beschäftigt.
Wie
steht dein Umfeld zu den Büchern?
Sehr positiv. Viele mögen meine
Schreibe, viele finden mein Engagement sehr gut (und fragen sich
vielleicht, wo sie sich denn gesellschaftspolitisch engagieren).
Haben
deine Figuren ein Vorbild aus dem realen Leben, oder nur Teile von
ihnen?
Keine Fiktion ohne eine Wurzel des
selbst erlebten. Das ist ja Teil der Arbeit: Aus scheinbar
belanglosen realen Situationen oder Eigenschaften einer realen Person
die Fiktion aufbauen. Ich sehe manchmal die Wirklichkeit wie mit
einer Lupe und versuche in den Büchern eine andere mögliche
Entwicklung als die tatsächliche darzustellen. Ich muss mich dann
aber auch von dieser Wurzel entfernen, muss sie verdünnen oder
verdichten, mit anderen Zutaten gießen, damit ich eine Fiktion
erschaffen kann.
(c) Leif Tewes |
Sowohl psychisch wie physisch habe ich
halt schon einiges erlebt, aber ich bin (noch) nicht angeschossen
worden (gleichwohl ich schon einige Male in den Lauf einer Waffe
blicken musste). Außerdem war ich in Regionen der Welt (z.B.
Afghanistan), wo Gewalt, körperlicher wie psychischer Natur, und
ihre Auswirkungen sehr deutlich zu sehen sind. Das vergisst man
nicht.
Und
natürlich zum Abschluss die obligatorische Frage: Wann bekommen wir
Nachschub?
Das weiß ich leider noch nicht. Ich suche nicht die Themen, diese kommen zu mir. Allerdings muss man empfänglich sein, seine Rezeptoren aktiviert haben, um ein Thema zu finden. Das funktioniert aber nicht immer. Gerade bin ich im Stress mit den aktuellen Büchern (Lesungen, Interviews, Presse), da bleibt keine geistige Ruhe um neue Themen zu empfangen. "stay tuned" möchte ich meinen Lesern sagen. Der Tag wird kommen, an dem ich glaube, wieder etwas Relevantes zu Papier bringen zu müssen.
Das weiß ich leider noch nicht. Ich suche nicht die Themen, diese kommen zu mir. Allerdings muss man empfänglich sein, seine Rezeptoren aktiviert haben, um ein Thema zu finden. Das funktioniert aber nicht immer. Gerade bin ich im Stress mit den aktuellen Büchern (Lesungen, Interviews, Presse), da bleibt keine geistige Ruhe um neue Themen zu empfangen. "stay tuned" möchte ich meinen Lesern sagen. Der Tag wird kommen, an dem ich glaube, wieder etwas Relevantes zu Papier bringen zu müssen.
Termin:
Sonntag, 4.9.2017 – 17:00 Uhr
Crimeday
Ansprechpartner:
Martina Schütt und Heike Stepprath
Blogs:
https://fraugoetheliest.wordpress.com
Kerstin von KerstinsKartenWerkstatt
meine Rezension zu "Alternativen" |
weitere Meinungen zu Leif Tewes Buch "Alternativen":
Tanja von Buchstäbliches
Manuela von Lesenswertes aus dem Bücherhaus
Hallo Martina,
AntwortenLöschenein sehr interessantes Interview. Ich durfte Herrn Tewes auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse kennen lernen und war positiv überrascht. Ich bekam sogar 2 kleine Tütchen Zucker mit dem Cover seines Buches "Blutzucker" und natürlich das Buch.
Das Buch war toll und die Thematik hatte es wirklich in sich. Ich hoffe sehr, von ihm bald wieder etwas zu hören, da sowohl Schreibstil als auch die Geschichte selbst mich überzeugen konnten.
Liebe Grüße
Anja :-)
Nice post
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