Hallo Susanne, ich
kenne Dich als Lektorin und als Fantasyautorin. Wie kam es, dass Du mit
„Himmelreich und Höllengrund“ einen Liebesroman geschrieben hast?
![]() |
(c) Susanne Pavlovic |
Das war eine
Verkettung von Zufällen und Leichtsinn. Ich habe ja als Lektorin bereits die
erste Staffel der "Himmelreich"-Romane betreut. Zur zweiten Staffel
wurde dann eine personelle Neubesetzung nötig. Die wunderbare Andrea Bielfeldt
war schnell gefunden, aber den zweiten Platz zu besetzen, gestaltete sich als
schwierig. Ich wollte Himmelreich nicht sterben sehen und schrieb in unsere internen
Himmelreich – Autoren –Facebookgruppe: "Keine Sorge, wenn wir den Platz
nicht besetzt bekommen, schreibe ich den fehlenden Roman selber."
Woraufhin die Kolleginnen direkt die Suche einstellten, und ich hatte den Job.
Als Lektorin kanntest
Du Himmelreich schon. War es ein großer Unterschied, selbst in dieser
vorgegebenen Struktur zu schreiben oder die Himmelreich-Romane zu lektorieren?
Als Lektorin steckst Du ja anders in den Geschichten und den Zusammenhängen als
wenn du selbst einen Himmelreich-Roman schreibst.
Schreiben und Lektorieren ist immer ein himmelweiter Unterschied.
Da ist es schon beinahe wurscht, was ich schreibe oder lektoriere. Das eine ist
sozusagen ein "top down" Prozess - ich zerlege und analysiere etwas
bereits Vorhandenes. Das andere ist ein "bottom-up" Prozess, in dem
ich etwas Neues herstelle.
Himmelreich zu
schreiben hat sich zumindest deutlich unterschieden von dem, was ich sonst
schreibe - nicht nur, weil es in Himmelreich keine Monster und Schwertkämpfe
gibt, sondern eben weil ich Elemente einbauen musste, die ich nicht selbst
erfunden hatte. Das hat sich eher angefühlt wie früher, vor vielen Jahren, als
ich noch Fanfictions geschrieben habe.
Lektorieren
beschreibst Du als ein "top down" Prozess, in dem Du das Buch
zerlegst und analysierst. Was muss ich mir als Laie darunter vorstellen?
Ich hangele mich
sozusagen rückwärts den Entstehungsprozess entlang. Davon ausgehend, dass ein/e
Autor/in einen roten Faden entwickelt und diesen dann mit Details ausschmückt,
dann blende ich im Lektorat die Details (zunächst) aus und gehe den roten Faden
suchen. An dem hängt, ob ein Buch spannend ist oder nicht, deshalb ist es ganz
wichtig, dass der sich gut und straff und ohne Knoten durch den Text zieht. Ich
habe also ein fertiges "Produkt" (das Buch) und frage mich: Was
wollte die Autorin erreichen? Welche Spannungspunkte wollte sie verwirklichen,
welche Überraschungen hat sie für ihre Leser eingebaut? Und funktioniert das
alles so, wie sie es wollte? Und wenn nein: Warum nicht, und wie lässt sich das
beheben?
![]() |
(c) Susanne Pavlovic |
Im Gegensatz dazu
steht das selbstgeschriebene Buch. Gehst Du dort ähnlich vor? Erst die
Haupthandlung und dann "ausschmücken" oder beschäftigst du dich erst
mit möglichen Protagonisten?
Hatte ich beides
schon. Meine Fantasyromane haben (neben wechselnden Figuren) eine feste
Stammbesetzung an Protagonisten, deren Geschichte ich weiterspinne. Da erfinde
ich neue Handlung für bestehendes Personal. Manchmal habe ich aber auch Lust
auf ein bestimmtes Erzählelement: Ich möchte demnächst eine lesbische
Liebesgeschichte im Rahmen klassischer Fantasy erzählen - da ist dann zuerst
die Idee, und dann entwickle ich interessante Figuren dafür. Und manchmal steht
am Anfang irgendeine willkürliche "Eingebung": Ich versuche seit
Jahren, einen Roman über eine Figur namens John Moon zu schreiben. Einfach weil
der Name mich triggert. Ich hab den Stoff noch nicht im Griff, aber das wird
schon noch. Ist die Initialzündung einmal geschehen, gehe ich allerdings schon
planerisch vor. Ich brauche einen solide gestrickten roten Faden, damit ich
weiß, wohin ich schreibe.
Wie schaffst Du es in
einem solchen kreativen Prozess, Dir alle Ideen, Einfälle, Weiterentwicklungen
von Figuren und Handlungen zu merken?
Ich schreibe Notizbücher
voll Ich weiß, dass man das heute technikaffin auch über
Autoren-Textverarbeitungen wie Papyrus lösen kann, aber ich schreibe gerne auch
mal mit der Hand und finde mich in meinen Notizbüchern gut zurecht. Ist sicher
auch Gewohnheit: Meine Arbeitsstrukturen habe ich in den frühen 90er Jahren
entwickelt und seither ein paar tausend Seiten so produziert.
Wie bringst Du dann
zeitlich alles unter?
Na ja, ich habe einen
genauen Wochenplan mit festen Zeiten fürs Schreiben und fürs Lektorieren - an
den ich mich eh nie halte ...
Benutzt Du beliebige
Notizbücher oder eine bestimmte Art? Ist es Dir schon passiert, dass du Ideen
später in den Notizen gelesen hast, aber nicht mehr wusstest, was Du mit deinen
Notizen sagen wolltest?
Eigentlich sind die
beliebig. Gefallen müssen sie mir, sie müssen sich gut anfassen, und ich mag
auch gerne "blanko" Seiten ohne Linien oder Kästchen. Es hat sich da
inzwischen auch eine kleine Sammelleidenschaft entwickelt - ich muss noch viele
Romane schreiben, um die alle aufzubrauchen ... Mit meinen eigenen
Aufzeichnungen komme ich im Regelfall gut zurecht. Ich kenne mich und weiß,
dass mir immer mal eine Idee "durchrutscht", also mache ich mir die
Mühe und notiere die relativ ausführlich. Was mir allerdings öfter passiert, ist,
dass ich die Idee schließlich doch nicht verwirkliche, weil sie einfach nicht
reinpasst. Ich wollte z.B. ursprünglich die Wahrsagerin nochmal auftauchen
lassen, von der Lila die Tarotkarte gekl..., äh, bei der sie die gefunden hat.
Das war dann aber gar nicht mehr nötig und hätte nur gestört.
Bei Himmelreich und
Höllengrund hast Du ja nicht nur nach einer eigenen Idee geschrieben, sondern
musstest Dich in ein Gerüst einfügen. Wie bist Du das angegangen? War es
hilfreich, dass Du andere Himmelreich-Bände vorher lektoriert hattest oder
zeigte sich das eher als hinderlich?
Es war insofern
hilfreich, als dass ich das Setting und die Figuren schon kannte und auch in
die Entwicklung der Rahmenhandlung für Staffel 2 eingebunden war. Das Schreiben
an sich hat sich angefühlt wie damals zu Fanfiction-Zeiten: Man nimmt ein
bereits ausgeformtes Universum, greift vorhandene Elemente auf und schmückt sie
aus und fügt eigene hinzu. Jupp zum Beispiel hat mir gelegen. Zu dem ist mir
viel eingefallen, deshalb spielt er in meinem Roman eine etwas größere Rolle
als bisher.
Es handelt sich um ein
anderes Genre als die Fantasy, die du bisher geschrieben hast. Und du bist ja
eher zufällig als Autorin dazugestoßen. Wie schwer war es für Dich, eine Idee
zu entwickeln und einen Plot zu skizzieren?
Das war tatsächlich am
Anfang nicht ganz einfach - Himmelreich ist ja schwertkampffreie Zone, und
Lilas Alltag unterscheidet sich ja auch sehr von dem meiner Fantasyfiguren.
Aber zum einen war ich ja nicht allein - wir Autorinnen sind ein sehr gutes Team
- und zum anderen war's auch mal erholsam, einfach so schreiben zu können, wie
mir der Schnabel gewachsen ist. In der Fantasy achte ich ja sehr auf Wortwahl -
da darf keiner etwas automatisch machen, weil Automaten nicht erfunden sind,
nur als Beispiel.
Wie kam Dir denn die
Idee zu dem Plot?
Ein Stück weit hat die
Figur den Plot vorgegeben. Lila als Träumerin war für mich von Anfang eine,
deren "Mission" darin bestehen sollte, sich selbst ein Stück besser
kennenzulernen und auch zu erfahren, dass Träume keine Träume bleiben müssen -
dass man sie verwirklichen kann. Dafür wollte ich sie in ein wertschätzendes
Umfeld setzen. Als Kind einer armutsbedrohten Alleinzerziehenden hat sie es
nicht leicht, aber ihre Mutter ist an ihrer Seite. Und was Lila und die Liebe
betrifft: Es entspricht meiner persönlichen Lebenserfahrung, dass Liebe und
Freundschaft fließende Übergänge haben und viel weniger streng voneinander
getrennt sind, als man so landläufig annimmt. Dazu noch eine Prise Drama und
ein saulustiges Hippiefestival, und fertig ist die Nudelsuppe - äh, die
Halspastille.
![]() |
(c) Susanne Pavlovic |
Bei Dir liest es sich
so einfach - fällt Dir das Schreiben oder Plotentwerfen immer so leicht?
Ich würd mal sagen,
nach 20 Jahren schleicht sich da eine gewisse Routine ein, im Sinne von, ich habe
meine Techniken, die mir helfen, wenn es mal nicht ganz so einfach von der Hand
geht. Das sind letztlich Analysetools: Wo hakt es? Und warum? Wie kriege ich
die Kuh vom Eis? Oder den Dinosaurier?
Aber generell, ja, Schreiben fällt mir wesentlich leichter als Steuererklärung.
Aber generell, ja, Schreiben fällt mir wesentlich leichter als Steuererklärung.
Nun noch eine ganz
neugierige Frage meinerseits zum Schluss. Zu Beginn hattest du gesagt, dass Du früher
auch Fanfiction geschrieben hast. Welche Fanfiction hast du geschrieben?
Ich war ganz groß bei „Lehrer
retten die Welt“ J Mit anderen
Worten, ich habe Geschichten aus dem Harry-Potter-Universum erzählt und dort
hauptsächlich die Eltern- und Lehrergeneration in den Mittelpunkt gerückt. Das
muss so um den Beginn des Jahrtausends gewesen sein. Diese teils umfangreichen
Geschichten waren nicht meine ersten Schreibversuche, ich hatte zu dem
Zeitpunkt schon ein paar unveröffentlichte Romane in der Schublade, aber die
ersten Texte, die ich für ein breites, anonymes Publikum geschrieben habe. Wer
eine Suchmaschine mit „Textehexe Fanfiction“ füttert, findet die auch heute
noch.
Vielen Dank Susanne, dass Du Dir die Zeit genommen hast meine Fragen zu beantworten.
![]() |
(c) Amrun |
sehr spannend was man alles erfahren durfte und schön das es eine Autorin wie sie auch gibt die uns mit teilhaben lässt!
AntwortenLöschenLieben Dank und LG Jenny
Hallo und guten Tag,
AntwortenLöschenschön, wie die Autorin hier im geführten Interview ...frei von der Leber weg....redet.
LG..Karin...